Unerwartete Macht der Blaualgen: 10 Fakten über ihre Auswirkungen auf Umwelt und Klima

Willkommen in der facettenreichen Welt der Blaualgen. In diesem kurzen Beitrag folgen wir den Spuren dieser mikroskopisch kleinen Unruhestifter und ihren Auswirkungen auf unsere Umwelt einschließlich Mensch und Tier. Ein erster Fakt vorweg: Wussten Sie, dass Blaualgen eigentlich gar keine Algen sind, sondern Bakterien? Ihr Name stammt von dem blau-grünen Farbstoff, den einige Bakterien enthalten – daher auch der häufig verwendete Name: Cyanobakterien.1 Hier nun der Überblick, wie diese Bakterien manchmal sogar das Gleichgewicht des ganzen Planeten durcheinanderbringen.

 

1. Blaualgen sind die älteste Lebensform auf dem Planeten Erde

Blaualgen oder Cyanobakterien sind die ältesten bekannten Fossilien, die es gibt. Die Fossilienfunde deuten darauf hin, dass sie erstmals vor etwa 3,5 Milliarden Jahren auf der Erde auftauchten und immer noch in Gewässern leben. Sie sind eine der größten und wichtigsten Bakteriengruppen auf der Erde. Unsere Lebensgrundlage, der Sauerstoff in unserer Atmosphäre, wurde ebenfalls von Cyanobakterien vor Milliarden von Jahren erzeugt.2

 

2. Der Algenfarn Azolla versetzte die Erde vor 49 Millionen Jahren in eine Eiszeit

Damals führte die dramatische Vermehrung der Azolla zum Ende eines geologischen Zeitalters und zu den klimatischen Bedingungen, die wir heute vorfinden: Gefrorene Pole und tropische Temperaturen am Äquator. Der im Süßwasser zu findende Algenfarn geht zum Wachsen eine Verbindung mit einem Cyanobakterium ein, welches es mit dem nötigen Stickstoff versorgt und es ihm ermöglicht, mit den Phosphoreinträgen von Land seine Biomasse in 2 Tagen zu verdoppeln. Durch das Absterben über dem Arktischen Ozean, sanken die Pflanzen an den Meeresgrund und wurden dort konserviert – der gespeicherte Kohlenstoff fand nicht wieder in die Atmosphäre. So wurde damals die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre halbiert.3

 

3. Blaualgen sind bereits für hunderte tote Tiere im Meer verantwortlich

In diesem Sommer wurde die Aufmerksamkeit auf eine aktuelle Katastrophe gelenkt, die sich in Nordamerika ereignete. Hunderte von Delfinen und Seelöwen wurden in Kalifornien aufgrund giftigen Algenbefalls tot oder krank angeschwemmt. In Santa Barbara und Ventura sahen die Freiwilligen und Arbeiter bereits mehr als 100 tote Seelöwen. Darüber hinaus beobachteten sie 300 Seelöwen, die Anzeichen für die Aufnahme des Neurotoxin Domoinsäure zeigten.5

 

4. Blaualgen können sogar dann noch wachsen, wenn ihre Nahrungsquelle im Wasser schon verschwunden ist

Blaualgen scheinen, selbst wenn ihre Nahrungsquelle im Wasser schon verbraucht ist, nicht nur weiter zu bestehen, sondern teilweise sogar noch zu wachsen. Das liegt daran, dass diese Bakterien Wege gefunden haben, Nährstoffe im Wasser zu speichern. Einige von ihnen wachsen schnell, absorbieren sehr viele Nährstoffe in kurzer Zeit und entziehen so anderen Lebewesen die Lebensgrundlage, während andere Cyanobakterien langsam wachsen und gleichzeitig Nährstoffe speichern, um auch im nährstoffarmen Wasser zu überleben. Dies ermöglicht es ihnen, dominant zu bleiben und andere Arten zu verdrängen.6

 

5. Die Fläche globaler Blaualgenblüten an Küsten ist über 19-mal so groß, wie das Great Pacific Garbage Patch

Eine aktuelle Studie publiziert in Nature kartierte die täglichen Algenblüten an 153 Meeresküsten von 2003 bis 2020. An 123 der untersuchten Küsten traten Algenblüten auf, die in ihrer Ausdehnung und Häufigkeit im Laufe des Forschungszeitraums signifikant zunahmen. Die globale Fläche dieser auftretenden Algenblüten entsprach insgesamt ca. 30,5 Mio km², die Fläche des Great Pacific Garbage Patch wird derzeit auf eine Größe von 1,6 Mio km² geschätzt.7,8 Algenblüten, die in Inlandgewässern auftraten, wurden in diesen Messungen (Auflösung 1 km) nicht berücksichtigt.

 

6. Blaualgen führen in Gewässern zu beträchtlichen Methanemissionen

Im Jahr 2011 stellte ein Forscherteam einen ungewöhnlich hohen Methanspiegel nahe der Oberfläche des Stechlinsees fest. Untersuchungen ergaben, dass Blaualgen das Methan produzierten. Obwohl die Methanproduktion bei Tag deutlich größer ist, stoßen die Bakterien auch bei Nacht und in sauerstoffarmer und -reicher Umgebung Methan aus. Methan hat als Treibhausgas im Vergleich zu Kohlendioxid eine deutlich höhere Wirksamkeit, insbesondere auf kurze Sicht. Innerhalb von 20 Jahren ist seine Fähigkeit zur Klimaerwärmung beizutragen über 80-mal größer als die von CO₂.4

 

7. Blaualgen wirken sogar durch Einatmen toxisch

Die häufigsten Wege der Exposition des Menschen gegenüber Cyanotoxinen sind direkter Kontakt, Einatmen und Verschlucken.10 Blaualgen enthalten, je nach Stamm verschiedene giftige Stoffe. Das giftigste und am häufigsten entdeckte Toxin heißt Microcystin-LR (MC-LR), welches die Leber schädigt, das männliche reproduktive System negativ beeinflusst und Lebertumore fördert.11, 12 Weitere Gifte, wie das Neurotoxin Anatoxin-A wirken in höherer Dosis bereits in wenigen Minuten bis zu einer Stunde tödlich, weshalb vor allem für Hunde Lebensgefahr beim Bad in blaualgenverseuchten Gewässern besteht. 13

 

8. Die Exposition gegenüber giftigen Algen führte in den USA innerhalb von drei Jahren zu über 300 Besuchen in der Notaufnahme

Eine Studie des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zeigt, dass schädliche Blaualgenblüten zwischen 2017 und 2019 zu 321 Besuchen in der Notaufnahme führten und neurologische, sowie Atemwegs-, Magen-Darm-, und Hautprobleme verursachten. Die Zahl der Betroffenen ist wahrscheinlich höher, da die Studie nur für 70 Prozent der landesweiten Notaufnahmebesuche durchgeführt wurde.14

 

9. Cyanobakterien werden im Reisanbau als natürlicher Dünger verwendet

Cyanobakterien sind photosynthetisch, das heißt, sie können ihre eigene Nahrung herstellen.2 Diese Fähigkeit der Cyanobakterien dient auch im Reisanbau. Sie gehen mit der Reispflanze eine Symbiose ein und versorgen sie mit Stickstoffverbindungen aus der Luft. Weitere Düngemittel werden dadurch überflüssig.15 

 

10. Blaualgen können in den unwirtlichsten Umgebungen wachsen

Blaualgen verfügen an Orten, wie heißen Quellen, subglazialen Regionen kalter Seen mit Eistiefen von bis zu 5 Metern und den Substraten zahlreicher Felsen in Wüsten über eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit. Einige von ihnen wachsen sogar in einer gegenseitigen Beziehung mit Pilzen und bilden zusammengesetzte Organismen, die als Flechten bekannt sind.16

 

Autor/Editor: Ana Petrovska, Maria Behrendt

 

Quellenangaben

1) Blaualgen: Wie gefährlich sind die Bakterien beim Baden? | NDR

2) Introduction to the Cyanobacteria | ucmp.berkeley

3) The arctic Azolla event | The Geological Society

4) Anthropogenic and Natural Radiative Forcing, (Seite 714) | IPCC

5) California toxic algea bloom kills or sickens hundreds of dolphins and sea lions | CNN 

6) Long and slow, or fast and furious: The clever way blue-green algae hedge their bets in blooms | phys.org

7) Evidence that the Great Pacific Garbage Patch is rapidly accumulating plastic | Nature

8) Coastal phytoplankton blooms expand and intensify in the 21st century | Nature

9) Blue-green algae found to produce greenhouse gas methane | phys.org

10) Exposure to microcystin among coastal residents during a cyanobacteria bloom in Florida | ScienceDirect

11) An overview of the toxic effect of potential human carcinogen Microcystin-LR on testis | ScienceDirect

12) New Records of Microcystins in Some Bulgarian Water Bodies of Health and Conservational Importance| Scientific Research

13) Diagnosis of anatoxin-a poisoning in dogs from North America | National Library of Medicine

14) Toxic algae exposure leads to more than 300 emergency room visits in three years | Environmental Working Group

15) Cyanobakterien | Spektrum

16 ) Blue-green algae | Microorganisms, Photosynthesis & Ecology | Britannica